50 Jahre DHB-Pokal
50 Jahre DHB-Pokal: Es begann mit einer Handballschlacht

Fotos: Kommunales Archiv Minden
Erstmal einen Jägermeister und eine Zigarre. Damit feierten die Männer von Grün-Weiß Dankersen einst wichtige Siege, wenn sie im Mindener Gasthof „Zum kühlen Grunde“ zusammenkamen. Das war ihr Ritual. Am späten Abend des 9. Mai 1975 dauerte es allerdings, bis sich ihr Blutdruck senkte. Das erste Endspiel um den DHB-Pokal, das sich in diesem Jahr zum 50. Mal jährt, hatte die Gemüter erhitzt. Eine Handballschlacht lag hinter ihnen.
„Ich habe noch nie so ein Spiel, was die Verletzten angeht, mitgemacht“, schimpfte damals Fritz Spannuth, Dankersens Coach. Rückraumrechts-Spieler Bernd Munck war schon in den ersten Minuten verletzt ausgeschieden. Und dann floss sogar Blut. Rechtsaußen Hans Kramer musste früh mit einer klaffenden Kopfwunde vom Feld. In der 45. Minute folgte ihm GWD-Regisseur Gerd Becker. „Ich erhielt im Vorbeilaufen einen Schlag ins Gesicht. Die Oberlippe wurde gequetscht und mir wurden beide Frontzähne abgehauen“, berichtete später der Zahnmedizin-Student.
Und am Ende hätte einer ihrer Besten, Bernhard Busch, in diesem Drama beinahe die Rolle des tragischen Helden übernommen. Der Rückraumriese, 1,98 Meter groß, hatte bereits neun Treffer erzielt, als er in der 59. Minute zum Siebenmeterstrich ging. Es stand 14:13 gegen den TSV Rintheim. Ein weiterer Treffer und der Titel wäre perfekt.
Aber dann leistete sich der deutsche Nationalspieler eine Szene wie im Slapstick: Er holte aus zum Wurf – und verlor den Ball nach hinten! Zum Entsetzen der Fans nahm Rolf Barthel den verlorenen Ball auf und verwandelte den folgenden Tempogegenstoß zum Ausgleich. „Ich hatte beim Ausholen den Oberschenkel mit dem Ball gestreift“, erzählt Busch von der Handball-Groteske, die heute viral gehen würde. Sein Nachteil: „Ich habe nie Harz benutzt, weil meine Hände eigentlich groß genug waren.“

Siegtorschütze Jobst Rehse
Dieser Fauxpas konnte Busch am Abend aber verschmerzen. Denn sein Team-Kollege Jobst Rehse hatte das Missgeschick mit seinem Siegtreffer zum 15:14 (8:7) ausgebügelt. „Überschäumende Freude indes gab es danach nicht“, hieß es im Spielbericht. Das Gefühl war vielmehr Erleichterung. Für die Dankerser fühlte sich dieser Titel beinahe so wie ein Trostpreis an.
Denn dass sie überhaupt im Endspiel standen, hatte mit einer schweren Niederlage zu tun. Sechs Tage zuvor hatten sie das Finale um die Deutsche Meisterschaft gegen den VfL Gummersbach (7:13) verloren. „Das tat weh“, erinnert sich Busch. Der Verlierer musste im Pokalfinale ran. Das besagte der Modus, den sich der DHB zum Auftakt dieses Wettbewerbes überlegt hatte.
Den neuen Wettbewerb hatte der Dachverband aus dem Boden stampfen müssen, nachdem der Weltverband IHF am 5. Oktober 1974 im italienischen Jesolo, einem idyllischen Seebad an der Adria, auf Antrag Schwedens und Jugoslawiens den Europapokal der Pokalsieger aus der Taufe gehoben hatte. „In den Ländern, in denen keine Pokalwettbewerbe durchgeführt werden“, hieß es im Protokoll, „können in den ersten Jahren Mannschaften spielen, die bei der nationalen Meisterschaft den zweiten Platz belegt haben“.
Der DHB entschied, dass zunächst die beiden unterlegenen Halbfinalisten der Meisterschaft den ersten Finalisten ausspielen sollten. Dabei setzte sich der TSV Rintheim überraschend gegen den TuS Hofweier durch, nach dem 18:19 am 2. Mai in Offenburg genügte ein 12:10-Sieg im Rückspiel zwei Tage später. Wie wenig Renommee mit dem neuen Pokalwettbewerb zu gewinnen war, beweisen die Zuschauerzahlen. Beim Rückspiel in Bruchhausen sahen 900 Fans zu. Zum Finale in die Mindener Kreissporthalle kamen ebenfalls nur 1.500 Zuschauer.

Der Zinnteller für den DHB-Pokalsieger 1975
Auch der Siegespreis versprühte 1975 wenig Glanz: Neben einem Wimpel gab es einen kleinen Zinnteller. Aber das störte die ersten Pokalhelden keineswegs, als sie ihren Titel am Abend begossen. „Da wurde sehr intensiv gefachsimpelt“, berichtet Busch lachend. „Und natürlich habe ich mir wegen des Siebenmeters ordentlich Sprüche anhören müssen.“ Nur Becker litt immer noch: „Bei der Pokalfeier konnte ich nur mit dem Strohhalm trinken.“
Der erste Pokalsieg brachte also wenig Ruhm. Aber die Erinnerung daran wurde mit den Jahren immer schöner. Busch wird wegen seiner 7-Meter-Einlage von seinen Mitspielern heute noch aufgezogen. Und das wird auch am 9. Mai 2025 so sein. Denn dann treffen sich die Veteranen zum Jubiläum, um ihren ersten Pokalsieg, dem der TSV GWD Minden in den Jahren 1976 und 1979 zwei weitere Titel im DHB-Pokalwettbewerb hinzufügte, zu feiern. Wo? An historischer Stelle selbstverständlich, im Gasthof „Zum kühlen Grunde“.

Foto der DHB-Pokalsiegermannschaft 1976