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Nach Verlängerung: THW Kiel zieht bei Köln-Premiere ins Finale ein

Foto: Schulze
Was für eine Pokalschlacht: Nach 70 dramatischen Minuten gegen die Rhein-Neckar Löwen stehen die Zebras zum 16. Mal in ihrer Vereinsgeschichte in einem Pokalendspiel.
Total erschöpft, aber überglücklich hüpfen die Spieler des THW Kiel übers Feld in der LANXESS arena – bei ihrer Premiere in Köln haben die Zebras gleich das Pokalfinale erreicht, nach einem unglaublich intensiven und dramatischen Halbfinale gegen die Rhein-Neckar Löwen. Für die Kieler ist es das 16. Finale der Klubgeschichte, zwölfmal stand der THW am Ende als Pokalsieger auf dem Podium.
In der Geschichte der Pokal-Final4-Turniere (seit 1993) war es erst das achte Halbfinale, das in einer Verlängerung entschieden wurde – und nach 70 Minute trennte beide Teams nur ein Treffer. Mit elf Treffern war Kiels Däne Emil Madsen einer der Väter des Finaleinzugs, für die Löwen traf Juri Knorr neunmal. Zudem überragten beide Nationaltorhüter: David Späth wehrte 15 Würfe ab, Andreas Wolff zwölf. Die Badener hatten kurz vor der Pause einen Schock zu verkraften, als Ivan Martinovic verletzt vom Feld humpelte.
Halbfinale 1: THW Kiel vs. Rhein-Neckar Löwen 32:31 (14:17, 28:28)
Nachdem Emil Madsen der erste Treffer des Lidl Final4 2025 gelungen war, nahm die Partie schnell Fahrt auf. Im Duell der Nationaltorhüter hatte zunächst Andreas Wolff die Nase vorn, aber David Späth zog nach – beide hatten zur Pause je sechs Paraden in der Statistik. Nach dem Kieler 5:3 drehten die Löwen mit einem 3:0-Lauf die Partie und gaben bis zum Pausenpfiff die Führung nicht mehr ab.
Tragische Figur war der Kroate Ivan Martinovic: mit fünf Treffern aus fünf Versuchen innerhalb von 14 Minuten baute der Vize-Weltmeister den Vorsprung im Alleingang auf fünf Tore aus, verletzte sich aber beim Tor zum 17:12 am Fuß – und verließ, gestützt auf einen Betreuer, mit schmerzverzerrtem Gesicht das Feld. Auch weil die Löwen von dieser Verletzung geschockt waren, verkürzte der THW bis zur Pause auf 14:17. Wie Martinovic hatte auch Juri Knorr zur Pause fünf Treffer auf dem Konto, beste THW-Werfer vor der Pause waren Madsen und Lukas Zerbe mit je vier Toren.
Die Zebras kamen stärker aus der Kabine: Trotz Unterzahl (Hendrik Pekeler saß zwei Minuten auf der Bank) verkürzte der THW auf 16:17. Pech hatten die Kieler, als auch nach Videobeweis ein Siebenmeter von Lukas Zerbe nicht hinter der Linie war. Danach wurde die Partie hektischer, mit vielen Unterbrechungen. Ohne Martinovic fehlte den Löwen eine treibende Kraft im Angriff, zudem stand die THW-Deckung kompakter als in der ersten Hälfte.
Der THW hätte Mitte der zweiten Hälfte die Partie früher drehen können, aber bereits nach 43 Minuten hatten Bence Imre und Lukas Zerbe insgesamt vier von bis dato acht Siebenmetern verworfen. Ausgerechnet Patrick Wiencek, der das letzte Final4 seiner langen Karriere spielt, erzielte schließlich zunächst mit dem 22:22 den ersten Ausgleich und beim 24:23 (48.) die erste Kieler Führung nach dem 5:4.
Nun war wieder alles offen, die Führung wechselte ständig - das erste Halbfinale war eine echte Pokalschlacht geworden, in der David Späth die Badener im Spiel hielt. Auf der anderen Seite drehte Emil Madsen auf, im Löwen-Angriff stand Knorr dem Dänen aber in Nichts nach. Das Duell, wer als Erster sein zehntes Tor erzielt, gewann Madsen. Als nach Videobeweis Olle Forsell Schefvert nach einem Foul an Domagoj Duvnjak die Rote Karte sah (58.), fehlte den Löwen eine weitere Option in Abwehr und Angriff.
Mit einem 28:28 ging es in die letzte Spielminute. 42 Sekunden vor Schluss scheiterte Juri Knorr mit einem Siebenmeter, Auszeit THW. Die Kieler im letzten Angriff: Duvnjak scheitert an Späth, noch sechs Sekunden, Auszeit Löwen – Fehlpass. Verlängerung.
Nach den ersten fünf Minuten stand immer noch ein Ausgleich auf der Anzeigetafel – 30:30. Dann leisteten sich die Löwen zwei Fehler im Spielaufbau, die Duvnjak und Madsen mit dem 32:30 bestraften. Als dann auch noch Juri Knorr mit einem Siebenmeter an Wolff scheiterte, schien die Vorentscheidung gefallen. Nach dem 32:31 hatten die Löwen einen letzten Angriff, leisteten sich aber einen Fehlpass. Aus, vorbei – Kiel im Finale!
Stimmen zur Partie:
Filip Jicha, Trainer THW Kiel:
Heute haben wir einen unfassbaren Pokalfight gesehen. Mein großer Respekt geht an die Rhein-Neckar Löwen, bei so einem Fight kann es keine zwei Gewinner geben - und wir waren heute die Glücklichen. Feinheiten haben den Unterschied gemacht. Wir waren cool gestartet, dann fehlten uns aber die Sicherheit im Angriff und der Mut. Die Löwen haben in der Abwehr zugelegt, und als wir unsere Würfe nicht untergebracht haben, drohte das Spiel wegzugehen. Mit zwei wichtigen Toren vor der Pause haben wir uns zurückgekämpft, dann hat das 7-gegen-6 uns neue Möglichkeiten gegeben. Jetzt stehen wir im Finale und ich bin extrem stolz auf die mentale Stärke unserer Jungs und was sie auf der Platte gelassen haben. Das war ein toller Fight vor einer tollen Kulisse: Jetzt müssen wir irgendwie fit werden für morgen. Ganz besonders freue ich mich, dass unsere Legende Patrick Wiencek morgen seine Pokalkarriere im Finale beenden kann.
Viktor Szilagyi, Geschäftsführer THW Kiel:
Ich fühle Stolz und Freude. Die Löwen waren stark und gut eingestellt, aber wir haben das Spiel nach vielen Aufs und Abs noch gedreht, weil wir immer an uns geglaubt haben. Wir finden die richtigen Lösungen, bekamen das Momentum auf unsere Seite. Die Jungs sind leer, unsere medizinische Abteilung hat einiges zu tun, aber es gibt keine größere Motivation als in einer solchen Halle ein Finale zu bestreiten.
Sebastian Hinze, Trainer Rhein-Neckar Löwen:
Das Spiel kann zu beiden Seiten kippen, es gab viele Höhen und Tiefen auf beiden Seiten. Es ist die bitterste Art, nach Verlängerung mit minus 1 auszuscheiden. Wir hatten unsere Möglichkeiten und ich bin stolz, wie wir uns reingekämpft haben. Am Ende fehlte uns das Tempospiel, in der Verlängerung waren es ein, zwei Situationen. Diese Kleinigkeiten waren nicht auf unserer Seite. Jetzt sehe ich in der Kabine nur leere Gesichter. Wer hierhin kommt, will ins Finale und will den Titel - wir waren nahe dran, daher tut es jetzt sehr weh, das war ein echtes Brett für uns.
Uwe Gensheimer, Sportdirektor Rhein-Neckar Löwen:
Nach diesem Riesenfight heute bin ich stolz, wie wir aufgetreten sind, wie wir gekämpft haben. Wir hatten einen holprigen Start, sind dann besser ins Spiel gekommen und hatten das Momentum auf unserer Seite. Dann folgt der Schockmoment mit der Verletzung von Ivan Martinovic. Danach war die Partie absolut eng und hätte auf beide Seiten kippen können. Das tut uns allen weh, aber morgen müssen wir unseren Fans einen solchen Kampf wie heute im Spiel um Platz drei zeigen.
Andreas Wolff, Torwart THW Kiel:
Das war ein Auf und Ab. Wir haben uns lange Zeit schwergetan, aber dann eine tolle Moral gezeigt und das Spiel glücklich für uns entschieden.
Rune Dahmke, Spieler THW Kiel:
Da waren ganz viele Nerven und ganz viele Fehler dabei. Es war ganz wichtig, dass wir uns nie aufgegeben haben, gerade in der ersten Hälfte, als wir fünf Tore zurücklagen. Das zeichnet uns eben auch aus. Es war vielleicht etwas glücklich, aber wir haben bis zum Ende gekämpft. Wir haben uns schwergetan mit dem Angriff der Löwen, aber unser 7-gegen-6 hat dann super funktioniert. Und dann hatten wir viele tolle Emotionen auf unserer Seite, als Patrick Wiencek reinkommt oder wie Dule Duvnjak vorangeht, und wie Andy Wolff und wieder ins Spiel bringt, das waren die Eckpfeiler des Sieges.
Jannik Kohlbacher, Spieler Rhein-Neckar Löwen:
Wir habenvieles umgesetzt, was wir uns vorgenommen hatten, wir haben nicht viel Großes falsch gemacht. Wir haben richtig gut gespielt, deswegen ist es bitter so zu verlieren. Keine hatte eine Niederlage verdient.
Juri Knorr, Spieler Rhein-Neckar Löwen:
Am Anfang lief es super, ich dachte wir hauen Kiel weg. Aber dann kippte das Momentum nach der Martinovic-Verletzung. Wir hatten es selbst in der Hand, am Ende tut es richtig weh, wie wir das verloren haben.