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HBW Balingen-Weilstetten schreibt mit Bronzeplatz Pokalgeschichte

Foto: Schulze
Jerome Müller wirft den Zweitligisten auf Wolke sieben: Gallier von der Alb feiern 32:31-Erfolg gegen den zweifachen Pokalsieger Rhein-Neckar Löwen nach einem dramatischen Spiel um Platz drei.
Der HBW Balingen-Weilstetten ist der Nachfolger der SG Flensburg-Handewitt als Dritter des Lidl Final 4. Nachdem die Norddeutschen sowohl 2023 (gegen Lemgo) als auch 2024 (gegen Magdeburg) das Spiel um Platz drei für sich entschieden hatten, setzte sich am Sonntag der Zweitligist nach einer dramatischen Partie in der ausverkauften LANXESS arena in Köln mit 32:31 gegen die Rhein-Neckar Löwen durch. Es war der erste Sieg eines Zweitligisten bei einem Pokal-Finalturnier seit 1997, als die HSG Dutenhofen/Münchholzhausen im Halbfinale gegen Nordhorn 22:20 gewann.
Erst zum insgesamt fünften Mal wurde der dritte Platz bei einem Finalturnier ausgespielt. Vor der SG Flensburg-Handewitt hatten die HSG Nordhorn (2005) und der TuS N-Lübbecke (2010) dieses Platzierungsspiel gewonnen. Bonus für HBW Balingen-Weilstetten: In der Saison 2025/26 steigt man erst im Achtelfinale in den DHB-Pokal-Wettbewerb ein.
Die Löwen mussten im Spiel um Platz drei nicht nur auf den im Halbfinale gegen Kiel (31:32 nach Verlängerung) verletzten Topscorer Ivan Martinovic, sondern auch auf Kreisläufer Jannik Kohlbacher verzichten. Beste Werfer des Platzierungsspiels waren Jon Lindencrone mit neun Treffern für die Löwen vor seinem Teamkameraden David More sowie dem Siegtorschützen Jerome Müller (HBW) mit je sieben Treffern.
Spiel um Platz drei:
Rhein-Neckar Löwen vs. HBW Balingen-Weilstetten 31:32 (15:19)
Welch eine Spannung, welch ein Jubelorkan in der blauen Fan-Ecke und beim Team der Balinger: Wie schon bei ihrem mitreißenden Auftritt im Halbfinale gegen Melsungen (27:31) starteten die „Gallier von der Alb“ auch gegen die Rhein-Neckar Löwen mit vollem Tempo. Angetrieben von den frenetischen Fans im blauen Block baute die HBW den Vorsprung über 6:3 auf 9:4 aus. Löwen-Trainer Sebastian Hinze nahm postwendend seine Auszeit – und vor allem dank der Treffer von Jon Lindencrone verkürzte der Pokalsieger des Jahres 2023 auf 9:11 (20.)
Wer aber gedacht hatte, die Löwen würden Oberwasser bekommen, lag falsch: Dank der Gegenstöße von Sascha Pfattheicher und der Rückraumtreffer von Jerome Müller vergrößerten die Schwaben den Vorsprung auf 19:14, ehe Lindencrone mit seinem fünften Tor für den Halbzeitstand von 15:19 sorgte.
Da sich die meisten neutralen Fans in der ausverkauften LANXESS arena mittlerweile auf die Seiten des Underdogs aus der 2. HBL geschlagen hatten, wuchs die Unterstützung für das Team von Matthias Flohr immer weiter an – jeder Balinger Treffer wurde lautstark bejubelt. Mit einem Doppelschlag von Kapitän Tobias Heinzelmann und Elias Fügel setzte sich HBW auf 22:16 ab. Die Löwen leisteten sich weiter zu viele Ballverluste, die Balingen eiskalt per Gegenstoß bestrafte.
Allerdings musste der Zweitligist ab der 43. Minute auf seinen Abwehrchef Robert Timmermeister verzichten, der nach der dritten Zeitstrafe auf die Tribüne musste. Zeitgleich saßen in dieser Phase gleich drei Balinger Zeitstrafen ab – und genau dann drehte das Spiel. In Überzahl suchten die Löwen ihre Chance, verkürzten auf 22:24 – und als Torwart David Späth einen Siebenmeter von Sascha Pfattheicher abwehrte, war auch der gelbe Löwen-Block wieder in Feierlaune.
Denn ihr Team hatte mit einem 7:0-Lauf aus einem 18:24 eine 25:24-Führung gemacht, Balingen-Weilstetten hatte völlig den Faden verloren, erzielte über zehn Minuten keinen Treffer, die Löwen hatten die Partie unter Kontrolle.
Dann der Schockmoment: HBW-Torwart Benedek Nagy rast von der Bank zurück ins Tor, kann den Wurf zwar abwehren, prallt dabei aber mit dem Kopf gegen den Pfosten. Nach mehrminütiger Behandlung kann der Ungar dann aber unter dem Applaus aller Fans das Feld verlassen.
Nach dieser Verletzungspause nahm die Partie sofort wieder Fahrt auf, beide Teams spielten mit offenem Visier, Balingen hatte sich wieder gefangen, glich jede Löwen-Führung im Gegenzug wieder aus und legte beim 30:29 sogar wieder vor.
Mit einem 31:30 und Ballbesitz für Balingen ging es in die letzte Spielminute. 28 Sekunden vor Schluss beförderte Jerome Müller – auch zum Spieler des Spiels gewählt - mit seinem siebten Treffer zum 32:30 den Außenseiter auf Wolke sieben – letzte Auszeit von Löwen-Trainer Hinze. Zwar verkürzte David More noch einmal für die Löwen, am Ende ließ Balingen aber die Zeit herunterlaufen – und dann begann die große Party.
Stimmen zum Spiel:
Matthias Flohr, Trainer HBW Balingen-Weilstetten:
Es ist toll, dass ich als Trainer beim Final4 erfolgreich sein durfte. Für uns hatte dieser Sieg eine unfassbar große Bedeutung. Wir wollten unbedingt ein Spiel gewinnen und daher bin ich unendlich stolz auf die Mannschaft. Wahnsinn, wie sie gekämpft hat, speziell als wir uns nach der Durststrecke wieder zurückgekämpft haben. Ich habe gesehen, wie glücklich unsere Fans in der Kurve sind, und wir sind stolz, dass wir Fans und HBW dieses Geschenk machen konnten. Mit der Bronzemedaille nach Hause zu kommen, berührt mich sehr. In der ersten und zu Beginn der zweiten Halbzeit waren wir die bessere Mannschaft. Ich habe allerdings auch allergrößten Respekt vor den Löwen, wie sie nach dieser ganz bitterer Halbfinal-Niederlage nie aufgesteckt haben. Beide Teams wollten das Spiel unbedingt gewinnen, es war ein ehrlicher Kampf um den Sieg. Am Ende waren wir abgezockter und etwas glücklicher. Aktuell bin ich so von Emotionen übermannt, dass ich nicht an Liga denken kann, natürlich nehmen wir den Rückenwind mit. Aber jetzt wollen wir das genießen, was wir hier erreicht haben, heute wird in Köln gefeiert.
Axel Kromer, Geschäftsführer Sport HBW Balingen-Weilstetten:
Es ist für jedes Team unglaublich bedeutend, bei einem solchen Turnier ein Spiel zu gewinnen. Wir waren Außenseiter, und für mich bliebt vor allem hängen, wie wir nach dem 0:7-Lauf zurückgekommen sind. Historie ist mir egal, Hauptsache wir haben das heute geschafft.
Sebastian Hinze, Trainer Rhein-Neckar Löwen
Es war ein verdienter Sieg für Balingen, sie waren kämpferisch und vom Willen in der ersten Halbzeit komplett da, das waren wir nicht. Wir haben viele Zweikämpfe verloren, Balingen war zu fokussiert, und daher war das Halbzeitergebnis von minus vier folgerichtig und verdient. In der zweiten Halbzeit haben wir viel enger gedeckt, drehen das Spiel, dann gaben Kleinigkeiten den Ausschlag. Aber vor allem die erste Halbzeit war nicht das, was wir zeigen wollen. Daher hat Balingen verdient den dritten Platz gewonnen. Ein Final4 ist immer ein Highlight auch wenn wir nach zwei bitteren Niederlagen heimfahren, diese Leere müssen wir mit Spaß und Freude füllen für die Bundesliga.
Uwe Gensheimer, Sportdirektor Rhein-Neckar Löwen:
Man hat die Bedeutung des Spiels für HBW von der ersten bis zur letzten Sekunde angemerkt, es war ein verdienter Sieg. Bei uns war der Aderlass zu spüren. Nach dem Halbfinale saß Stachel tief bei uns allen, dennoch haben wir es nach der Pause irgendwann geschafft, unsere Aggressivität wieder zu finden. Balingen blieb aber dran, und gewinnt. Es tut weh, mit zwei Niederlagen abzureisen und zudem weitere angeschlagene Spieler mit nach Hause zu nehmen.
Sascha Pfattheicher, Spieler HBW Balingen-Weilstetten:
Gestern konnten wir schon stolz auf uns sein, heute war das nochmal eine ganz andere Nummer, dass wir als Zweitligist den dritten Platz gewinnen. Das ist für uns einmalig und überwältigend.
Elias Fügel, Spieler HBW Balingen-Weilstetten:
Es war überragend, das ganze Wochenende so mitzuerleben, vor so vielen Zuschauern, die Atmosphäre aufzusaugen. Das ist einfach unfassbar. Ich kann es immer noch nicht glauben, dass wir hier eine Medaille mitgenommen haben. Ich bin unglaublich stolz auf unser Team, auf den Verein, die Fans, die eine geniale Stimmung gemacht haben.
Tobias Heinzelmann, Kapitän HBW Balingen-Weilstetten:
Wir haben alles reingehauen, dieses Spiel wird allen lange in Erinnerung bleiben. Ich bin brutal stolz, wie wir das als Mannschaft geschafft haben. Das Bad in der Menge war einfach nur genial, das waren Momente, die man nie vergisst.
Juri Knorr, Spieler Rhein-Neckar Löwen:
Wir hätten es besser machen müssen, keine Frage. Was gestern passiert ist, tut extrem weh, das steckte uns mental und körperlich in den Knochen, das musste man erst einmal verarbeiten. Das ist extrem schwer, so etwas abzuschütteln, aber wir haben es versucht. Gestern verletzt sich Ivan, heute fällt Kohlbacher ausm dann verletze ich mich, da kommt alles zusammen. Aber keine Frage: Balingen hat das super gemacht, absolut Respekt.
Mikael Appelgren, Torwart Rhein-Neckar:
Wir haben gestern gegen Kiel so viel Kraft verloren, dazu kommen die negativen Emotionen nach der Niederlage. Wir schaffen es am Anfang nicht, unsere ängstliche Art und Weise abzulegen. Wir haben gutes Potenzial, aber wenn wir nicht besser spielen, haben wir nicht verdient zu gewinnen. Am Anfang kamen wir nicht in die Zweikämpfe, uns fehlt der Zug, wir sind zu passiv. Man hat es nicht gesehen, wer Erstligist und wer Zweitligist ist. Balingen hatte gestern auch Melsungen geärgert, daher wundert es mich, dass wir uns da überraschen ließen. Das darf uns nicht passieren. Jeder Profi sollte wissen, wie man ein solches Spiel angeht. Die Ausfälle von Martinovic, Knorr und Kohlbacher dürfen keine Ausrede sein.