60 Jahre HBL
60 Jahre HBL: Der TV Großwallstadt und der große Gelbe in den Flatterhosen

Fotos: Horstmüller
Nach Gründung der eingleisigen Bundesliga 1977 dominierte der TV Großwallstadt die nationale und internationale Konkurrenz. Eine Schlüsselfigur dabei: Torwart Manfred Hofmann.
Die Crunchtime gehörte Manfred Hofmann. Als der VfL Gummersbach am letzten Spieltag der Saison 1977/78 auf 12:11 verkürzte und der TV Großwallstadt seinen Schlussmann brauchte, um den Sieg zu verteidigen und die ersehnte erste Deutsche Meisterschaft zu sichern, war der Keeper zur Stelle. Hofmann parierte dreimal: gegen Wunderlich, gegen Fey und in der letzten Minute gegen Nolde – und ließ sich nach Abpfiff von den 2.800 Fans in der Rudolf-Harbig-Halle feiern.
Es war nicht die erste Sensationsleistung Hofmanns. Drei Monate zuvor hatte der Torwart im WM-Endspiel von Kopenhagen drei Strafwürfe gegen die Sowjets gehalten und die DHB-Auswahl zum Triumph geführt. In dieser Zeit kam er auf teils absurde Fangquoten von über 60 Prozent, so im Länderspiel 1978 gegen Rumänien. Hofmann hypnotisiere seine Gegenspieler, stöhnte deren Rückraumstar Stefan Birtalan über den Mann, den der Boulevard oft „Hexer“ nannte. „Er ist die absolute Nummer Eins der Welt.“
Gemeinsam mit dem cleveren Linkshänder Kurt Klühspies verkörperte insbesondere Hofmann, genannt „Hobbes“, den spektakulären Aufstieg der Mainfranken zur besten Klubmannschaft der Welt – zumal er am 30. Januar 1948 in Großwallstadt geboren wurde. Nach dem 6. Mai 1978 dominierte der TVG bis 1981 mit vier Titeln in Folge die Bundesliga.
Zudem triumphierte er 1979 und 1980 den Europapokal der Landesmeister, den Vorläufer der Champions League. Auch dort brillierte Hofmann. So ließ er im Endspiel 1980 gegen Valur Reykjavik (21:12) in Halbzeit Eins nur vier Treffer zu. „Der Hobbes war die absolute Grundlage“, erinnerte sich Felix-Rüdiger Schmacke, der TVG-Trainer 1979/80. „Er hat oft genug die Bude zugenagelt.“

Manfred Hofmann in seinem gelben Trainingsanzug
Fantastisches Stellungsspiel hatte Hofmann bereits im Feldhandball demonstriert, wo er 1969 ebenfalls zu Länderspielehren gekommen war. „Ohne Stellungsspiel war man da gar nichts“, sagt der Keeper. Aber erst Bundestrainer Vlado Stenzel hob ihn nach 1974 mit spezifischem Training in der Halle und stundenlangen Extra-Einheiten auf Weltniveau. „Das war brutal anstrengend“, sagt Hofmann.
In die Geschichte des Handballs ging der Torwart ein, als er am 6. März 1976 in Karl-Marx-Stadt im innerdeutschen Duell gegen die DDR den entscheidenden Siebenmeter hielt und damit die Olympiateilnahme für Montreal absicherte.
Hofmanns Markenzeichen: ein knallgelber Trainingsanzug. Der wirke wie ein Magnet auf die Schützen, glaubte Hofmann damals. „Im Unterbewusstsein wirft jeder auf diesen grellen Fleck. Klasse, das Ding, obwohl ich wie ein Kanarienvogel aussehe.“ Und da Hofmann oft ein, zwei Nummern größer trug, um noch mehr Fläche zu entwickeln, bezeichnete die Presse ihn nach einem Filmklassiker von 1972 („Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh“) als den „Großen Gelben mit den Flatterhosen“.
Der Aufstieg des TVG zur europäischen Supermacht hatte freilich weitere Gründe. So waren Klaus Zöll und Lutz Endlich, das Trainer-Duo von 1978, beim Bundesausschuss für Leistungssport beschäftigt. Dadurch erhielt Hofmann Zugang zu wertvollem Videomaterial, das einfloss auf Karteikarten, die der Torwart über die Schützen anlegte.
Auf nationaler Ebene profitierte der TVG 1979 vom tragischen Unfall Joachim Deckarms, der den Erzrivalen Gummersbach schockte. Zugleich gewann Großwallstadt an Stärke, weil die 1977 eingeführte eingleisige Bundesliga jede Partie zu einer sportlichen Herausforderung gemacht hatte.
Erst als Hofmann im Sommer 1982 zurücktrat, neigte sich die große Ära des TVG dem Ende entgegen. Die beiden folgenden Meisterschaften gewann wieder Gummersbach, das 1983 außerdem den Europapokal der Landesmeister holte und damit die Dominanz der Bundesliga unterstrich. Wie zentral auch dabei der Torhüter war, belegte die Partie des TVG gegen Gummersbach am 8. Dezember 1982, als ein junger Keeper namens Andreas Thiel dem Gast mit vier parierten Siebenmetern den 17:16-Sieg sicherte.
„So ein überragendes Spiel eines deutschen Torhüters habe ich schon Jahre nicht mehr gesehen“, kommentierte dies Hofmann damals. Und die Presse schrieb, der Nachfolger des „Hexers“ sei nun in Hofmanns Heimat gefunden worden. „Seither“, sagt Andreas Thiel, „habe ich diesen Namen durchaus mit Stolz getragen.“













