HBL
Flensburg vs. Kiel: Das 75. Nord-Derby in der HBL ist Verfolgerduell statt Gipfeltreffen

Foto: Klahn
Was im Fußball Schalke gegen Dortmund oder Barcelona gegen Real Madrid ist, ist in Handball-Deutschland das Duell THW Kiel gegen die SG Flensburg-Handewitt. Zum insgesamt 112. Mal stehen sich die beiden Handball-Hochburgen am Samstag (Anwurf: 18.00) gegenüber, Dyn und die ARD übertragen diesen Nord-Classico live.
Die Partie bietet neben der sportlichen Brisanz auch ein Jubiläum: denn zum 75. Mal treffen THW und SG in der Bundesliga aufeinander. Waren die Nord-Derbys über viele Jahre hinweg meist Duelle Erster gegen Zweiter, ist es am Samstag ein Verfolgerduell in der DAIKIN Handball-Bundesliga: In der Tabelle liegt die SG als Fünfter (31:13) drei Punkte hinter dem viertplatzierten THW (34:10) – die Gastgeber haben fünf Punkte Rückstand auf Tabellenführer MT Melsungen, die Kieler zwei. Beide Rivalen haben jeweils fünf Partien verloren, bei Flensburg kommen noch drei Remis hinzu, inklusive dem 27:27 zuletzt in Göppingen.
In 22 Spielen hat die SG 71 Tore mehr erzielt als der THW (739:668), aber auch 49 Gegentreffer mehr kassiert (644:585) – was vielleicht auch daran liegt, das Kiels Schlussmann Andreas Wolff mit 228 Paraden das HBL-Torwart-Ranking mit großem Abstand anführt. Flensburgs Kevin Møller hat 174 Würfe abgewehrt.
Zwei dänische Weltmeister sind aktuell die besten Werfer beider Teams: Flensburgs Emil Jakobsen traf 156 Mal, der Kieler Emil Madsen 126 Mal. Insgesamt stehen im THW-Kader zwei aktuelle Weltmeister (Madsen und Magnus Landin), bei der SG sind es sogar sieben: Møller, Jakobsen, Niclas Kirkeløkke, Lukas Jørgensen, Simon Pytlick (derzeit verletzt), Mads Mensah und Johan Hansen. Landin und Madsen gehören zum Quartett, das im Januar seinen vierten WM-Titel feierte. Hinzu kommt beim THW natürlich der WM-Silbermedaillengewinner Domagoj Duvnjak, der mit der WM seine Nationalmannschaftskarriere beendet hatte.
Auch wenn die SG aktuell hinter dem THW liegt, hat die SG die letzten drei Derbys gewonnen, zuletzt das Hinspiel in Kiel 37:33. Zuletzt waren der SG in der Bundesliga drei Derbysiege in Folge in den Jahren 2014 bis 2016 gelungen, der Rekord steht bei fünf Siegen in Serie, in den Jahren 2002 bis 2004. In den bisherigen 74 Ligaduellen liegt der THW mit 42:29 Siegen vorne, den letzten Kieler Auswärtssieg in Flensburg gab es im Mai 2022. Zwölf der bislang 36 Partien in Flensburg gewann der THW.
Kiel ist Rekordmeister mit 23 Titeln (zuletzt 2023), Flensburg riss die Schale dreimal nach oben, zuletzt gleich zweimal in Folge in 2018 und 2019. Im Pokal ist der THW mit zwölf Trophäen ebenfalls Rekordgewinner, die SG gewann den Pott viermal. 2005 war die SG die bislang einzige Mannschaft, die die Zebras in einem Pokalfinale bezwingen konnte. In der aktuellen Pokal-Saison qualifizierte sich der THW erstmals im dritten Anlauf für das Lidl Final4 in Köln, nachdem man in den Vorjahren zweimal gescheitert war. Flensburg war 2023 und 2024 in Köln am Start, verpasste aber zweimal das Finale (gegen Löwen und Melsungen) – und scheiterte im Viertelfinale wieder an der MT.
International sind beide Nordrivalen indes auf Kurs: Kiel und Flensburg sind nach zehn Spielen in der European League noch ungeschlagen, qualifizierten sich als Gruppensieger direkt für das Viertelfinale. Flensburg ist in diesem Wettbewerb Titelverteidiger und ist in ganz Europa zudem der einzige Verein, der fünf verschiedene Europapokalwettbewerbe gewann: Champions League, European League, EHF-Pokal, Pokal der Pokalsieger und City-Cup. Kiel hat je viermal Champions League und EHF-Pokal gewonnen. International betrachtet waren die Duelle Kiel gegen Flensburg auch die einzigen rein deutschen Champions-League-Finals: 2007 gewann der THW nach Hin- und Rückspiel, 2014 schlug die SG beim Finalturnier in Köln zurück.
Das erste Duell zwischen dem THW und einem der SG-Vorgängerklubs, der TSB Flensburg, gab es bereits 1973 in der Regionalliga Nord - die eigentliche Zählung der Derbys beginnt aber mit der Gründung der SG Weiche-Handewitt und dem Pokalspiel am 21. April 1984. Seit 1990 firmiert der Handball in Flensburg als SG Flensburg-Handewitt, das erste Duell in dieser Konstellation gewann der THW am dritten Spieltag der Saison 1992/93 mit 18:17 beim noch nördlicheren Nachbarn. Genau zehn Jahre später, am 25. Mai 2002, sicherte sich der THW ausgerechnet durch einen 26:24-Sieg in Flensburg die zehnte deutsche Meisterschaft.
Der Einzige, der über 50 Landesderbys gespielt hat, ist Mattias Andersson - und dies auf beiden Seiten. Mit Kiel wurde der Schwede 2002 in Flensburg Meister, mit Flensburg bestritt er in Kiel sein letztes Bundesligaspiel und wurde mit der SG Meister. Heute ist er Torwarttrainer des THW und Chef des Torwart-Trainerstabs beim DHB. Zu den wenigen, die für beide Seiten gespielt haben, zählt auch Kiels aktueller sportlicher Leiter Viktor Szilagyi. Auf der anderen Seite ist es ausgerechnet der neue Trainer Ales Pajovic, wenn sein Gastspiel auch nur kurz war: Der Slowene wurde 2007 für zwei Monate (Oktober bis Dezember) von Ciudad Real an den THW ausgeliehen, weil Filip Jicha (der heutige THW-Trainer) und Nikola Karabatic ausfielen. Dann kehrte Pajovic zu Ciudad Real zurück, wurde am Ende der Saison 2007/08 Champions-League-Sieger – just nach einem Finaltriumpf gegen Kiel.