HBL
Geschenk für den Trainer: Kiel feiert souveränen Auswärtssieg in Göppingen
FRISCH AUF! Göppingen vs. THW Kiel - Game Highlights
Foto: Wolf
Der THW Kiel hat Teil eins seiner sechstägigen Europa-Tournee erfolgreich absolviert: In Göppingen gewannen die Zebras am Samstagabend in der DAIKIN Handball-Bundesliga mit 36:29 (19:14) und beschenkten dabei sich selbst, aber auch Trainer Filip Jicha, der seinen 43. Geburtstag im Kreis seiner Mannschaft beging. Mit einem unglaublich effizient gespielten Sieben-Gegen-Sechs bekamen die Kieler nach einer ausgeglichenen Anfangs-Viertelstunde die Partie in den Griff und setzten sich sukzessive ab.
Überragender Rückraum
Die Ostertage im Bus oder in Sport- sowie Trainingshallen zu verbringen, ist alles andere als familienfreundlich. Siege helfen, um positive Gefühle aus dieser Malaise mitzunehmen. Gesagt, getan, der THW Kiel trumpfte am Sonnabendabend bei Altmeister FrischAuf Göppingen mit einer grandiosen Leistung auf, verscheuchte die Erschöpfung und Leiden der vergangenen acht Tage. Es war das vierte Spiel in gut einer Woche, das den Zebras alles abverlangte, das aber zeigte, aus welchem Holz diese THW-Mannschaft geschnitzt ist. Überragend agierte wieder einmal der Rückraum um Kapitän Domagoj Duvnjak als Regisseur und den beiden Haupttorschützen auf den Halbpositionen: Johansson traf siebenmal ins FAG-Tor, Emil Madsen sorgte mit sechs Treffern dafür, dass die "Hölle Süd" vorübergehend sogar in einen Gefriermodus versetzt wurde und ins Staunen geriet über die Handballkunst und Durchschlagskraft des Rekordmeisters im Sieben-gegen-Sechs.
"Wir durchleben eine brutale Phase"
Und hinten hatte der THW erneut eine bärenstarke Abwehr um den Mittelblock Hendrik Pekeler/Patrick Wiencek oder Petter Överby installiert, die Basis für das erfolgreiche Angriffsspiel wurde. Mit einem Tomas Mrkva zwischen den Pfosten, der insgesamt 15 Bälle abwehrte, überragender Rückhalt seiner Mannscahft war. Auf den Punkt gebracht: Dieser THW war in allen Mannschaftsteilen eine Klasse für sich. Rund 100 THW-Fans auf den Tribünen waren ebenfalls total begeistert, deren strahlende Gesichter wurden an Freude nur überboten vom THW-Trainer: Filip Jicha wurde das schönste Geschenk von seiner Mannschaft auf den Gabentisch gelegt. "Wir durchleben gerade eine brutale Phase, haben nicht mehr viel Energie, um nicht zu sagen: gar keine mehr", sagte Kiels Trainer nach der Glanzleistung seines Teams. Das Ganze gehe über die Grenzen der Belastbarkeit hinaus, konstatierte Jicha. "Aber es macht auch Spaß, kreiert etwas bei uns, von dem wir später profitieren werden. Ich bin jedenfalls unheimlich stolz auf meine Mannschaft!"
"Hölle Süd" war angeheizt
Die Stimmung in der Göppinger EWS-Arena war zu Beginn bombastisch, die "Hölle Süd" kochte mit den über 5000 Fans, war komplett ausverkauft. Eigene Top-Leistungen wie das Remis gegen Flensburg und der Auswärtserfolg in Hannover heizten Stimmung und Erwartung im Schwabenland verständlicherweise an. Allerdings musste FAG-Trainer Benjamin Matschke auf seinen zuletzt starken Spielmacher Hallbäck verzichten, der Schwede wurde am Ellenbogen operiert und durch den jungen Elias Newel ersetzt. Die Zebras liefen in gewohnter Besetzung auf, also weiterhin ohne ihre verletzten Rückraum-Asse Nikola Bilyk und Harald Reinkind. Außerdem war Elias Ellefsen á Skipagötu nicht im Vollbesitz seiner Kräfte, wurde trotz Personalnot geschont, hatte nur wenig Einsatzzeiten.
Mrkva nagelt seinen Kasten zu
Göppingens Rechtsaußen Flodman eröffnete die Torejagd, traf in der zweiten Minute zur 1:0-Führung, die THW-Rückraumspieler Eric Johansson mit zwei "Schmetterbällen" zum 2:1 beantwortete. Jetzt waren die Gastgeber mit einem Doppelschlag zur Stelle, legten durch Schiller und Gislason eine erneute Göppinger Führung vor. Lukas Zerbe per Siebenmeter und Madsen konterten zum Kieler 4:3, Flodman glich zum 4:4 aus. Die erste Zwei-Tore-Führung trug dann den Stempel von Lukas Zerbe: Der Kieler Rechtsaußen traf per Tempogegenstoß, setzte anschließend seinen zweiten Strafwurf an Torhüter Ravensbergen vorbei ins FAG-Netz. Nach 14 Minuten stand's 6:4 für den frischgebackenen Pokalsieger. Auch, weil Torhüter Mrkva, der das Vertrauen von THW-Coach Filip Jicha bekommen hatte, seinen Kasten schon in der Anfangsphase zunagelte.
THW setzt früh auf den siebten Feldspieler
Dennoch ging es zunächst hin und her. Göppingen versteckte sich nicht, hatte mit dem jungen Elias Newel einen guten Ersatz für Hallbäck aufgeboten. Filip Jicha nahm nach 17 Minuten die Auszeit, spürte, dass seiner Mannschaft die Kraft fehlte. Fortan setzten die Zebras auf das Sieben-gegen-Sechs - und der THW Kiel spielte es auf den Punkt. Die erste Drei-Tore-Führung folgte - Madsen hämmerte den Ball aus dem Rückraum in die Maschen, Patrick Wiencek netzte nach glanzvollem Anspiel von "Skippy" ein und die "Fackel" von Johansson zappelte in der 20. Minute im FAG-Netz. Zeit für Göppingens Trainer Benjamin Matschke, mit einer Auszeit Ruhe in die Aktionen seines Teams zu bringen. Es klappte nur leidlich. Die Kieler Angriffsmaschinerie lief auf Hochtouren, fand mit der Überzahl-Variante immer wieder Lücken in der FAG-Abwehr. Per Doppelschlag erhöhten á Skipagötu und Magnus Landin in der 26. Minute auf 16:11, es wurde merklich stiller in der "Hölle", die Fans staunten über das Kieler Handball-Spektakel.
Zebras setzen sich ab
Zerbe und Madsen sorgten mit ihren Treffern vor dem Wechsel für eine beruhigende Halbzeitführung, die Zebras setzten ihre Überlegenheit auch in Zahlen um. Eric Johansson eröffnete den zweiten Abschnitt gleich mit einem Kracher, der Ball zappelte zum 20:14 im FAG-Netz. Göppingens bester Torschütze, Linksaußen Marcel Schiller, traf zum 20:16 - doch die Kieler blieben cool. Johansson erzielte seinen sechsten Treffer, Petter Överby, großartig von Johansson bedient, traf nach 37 Minuten zum 22:17. Nach großartiger Ballstafette war dann Bence Imre - auf Rechtsaußen für Lukas Zerbe gekommen - dran. Der junge Ungar traf zum 23:18, glänzte wenig später in der eigenen Abwehr mit einer Rettungstat. Als Imre in der 44. Minute erneut nicht zu stoppen war, zum 26:20 vollendete, drückte Matschke erneut auf den Buzzer.
"Kiel war einfach überragend"
Doch die Auszeit blieb erneut ohne Folgen. Jetzt hatte Kiels Kreisläufer und Abwehrchef Hendrik Pekeler zehn große Minuten, traf dreimal nach fantastischen Anspielen von Kreis. Die Kieler Fehlerquote im Angriff ging gegen Null. Filip Jicha gab jetzt auch seinen Youngstern die Gelegenheit, sich auszuzeichnen, schickte zehn Minuten vor dem Ende Linus Kutz und Henri Pabst auf die Platte. Beide integrierten sich geräuschlos, der THW-Angriffswirbel drehte weiter, wehte den Göppinger Spielern die Bälle um die Ohren. Imre feilte an seiner Torstatistik, nagelte den Ball zweimal nach prima Kutz-Anspielen in die FAG-Maschen. 34:24 leuchtete nach 55 Minuten auf dem Hallen-Würfel. Die Partie war längst entschieden. "Wir waren gut vorbereitet auf das Sieben-gegen-Sechs der Kieler", wunderte sich nach dem Abpfiff FAG-Mittelmann Elias Newel. "Aber Kiel hat das großartig gespielt, war einfach überragend."
Stimmen zum Spiel:
Filip Jicha, Trainer THW Kiel:
"Vielen Dank für den netten, persönlichen Empfang. Es ist immer etwas Besonderes, an seinem Geburtstag zur Arbeit zu gehen und dann so beschenkt zu werden. Ich bin sehr dankbar, dass mir meine Mannschaft diese Leistung und dieses Resultat geschenkt hat. Wir haben nicht viel Energie mitgebracht, unsere Batterien sind mindestens halbleer. Deshalb mussten wir schnell auf das 7-6 gehen, das wir sehr auf den Punkt gespielt und Chancen kreiert haben. Es war eine absolute Willensleistung, denn hier in Göppingen, in dieser Halle zu gewinnen ist nicht leicht. Umso schöner, dass wir die zwei Punkte mitnehmen konnten. Ich muss meine Mannschaft loben für die Leistung. Morgen geht es weiter, und meine Jungs. können jetzt 12 Stunden im Bus sitzen und „regenerieren“. Es ist der schnellste Weg nach Limoges, aber das ist auch der absolute Wahnsinn. Aber so ist unser Sport."
Benjamin Maschke, Trainer FRISCH AUF! Göppingen:
"Im 6-6 haben wir Kiel sehr gut verteidigt, Newel hat in der Steuerung ein tolles Spiel gemacht, Oskar Neudeck hat Akzente gesetzt. Wir haben Lösungen gegen die Kieler Abwehr gefunden, viele Chancen kreiert. Im 7-6 gegen mit eine der beste Mannschaften in Europa haben wir alles versucht, aber keine Lösung mehr gefunden. Kiel hat das auf den Punkt gespielt. Auch das Ungleichgewicht bei den Paraden war eine Hypothek. Trotzdem hat unser Publikum ein tolles Gespür für die Leistung meiner Mannschaft gezeigt. Um aber gegen den THW Kiel zu gewinnen, muss alles passen. Und da hat Kiel das Sieben-gegen-Sechs mit einer unglaublichen Effizienz gespielt – leider."