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Johannes Golla: „Erfolgreich spielt man nur, wenn man am Ende auch was mitnimmt" - „Never Stop Folge 3"

Johannes Golla ist Kapitän der deutschen Nationalmannschaft und Kapitän der SG Flensburg-Handewitt. Er wurde 2019 deutscher Meister, 2024 European-League-Sieger und holte mit Deutschland Silber bei den Olympischen Sommerspielen 2024. Sein Weg zu einem der ganz Großen in Handball-Deutschland ist in der neuen Folge der HBL Doku "Never Stop - Vom ersten Wurf bis zur Weltspitze" zu sehen.
Der Kreisläufer ist der jüngste Kapitän der DHB-Auswahl aller Zeiten: just an seinem 24. Geburtstag, am 5. November 2021, führte Golla die deutsche Mannschaft bei einem Testspiel gegen Portugal in Luxemburg erstmals aufs Feld.
Konnte man das schon ahnen, als der kleine Johannes bei der JSG Eltville erstmals die Handballschuhe schnürte? Die dritte Folge der neuen HBL-Doku-Serie „NEVER STOP – VOM ERSTEN WURF BIS ZUR WELTSPITZE“ begibt sich auf Spurensuche, skizziert Gollas Karriereweg aus dem Rheingau über Nordhessen in den hohen Norden und zum Kapitän der SG Flensburg-Handewitt und der Handball-Nationalmannschaft.

Jeder Spieler in der DAIKIN Handball-Bundesliga hat einmal klein angefangen – aber wie so oft spielt auch bei Johannes Golla die Familie eine entscheidende Rolle. Sein Vater Peter spielte für die Zweitliga-Mannschaft von Eintracht Wiesbaden, seine drei Jahre jüngere Schwester Paulina ist ebenfalls Handball-Profi, aktuell beim VfL Oldenburg unter Vertrag, und hat ihrem großen Bruder sogar schon eine Goldmedaille im DHB-Trikot voraus: 2017 wurde sie U17-Europameisterin.
Johannes Golla stand im Nachwuchsbereich zwar auch in einem Finale – verlor das dramatische Endspiel der U20-EM im Jahr 2016 dann allerdings nach Verlängerung gegen Spanien. Er war der jüngste Spieler im Kader von Trainer Markus Baur, einem seiner Vorgänger als DHB-Kapitän und „Chef“ der Weltmeistermannschaft von 2007.
Da war Johannes Golla gerade zehn Jahre alt – und stand kurz vor seinem ersten Vereinswechsel von der JSG Eltville zum TuS Dotzheim. „Die Region, aus der ich komme, ist schon so ein bisschen Handball-Provinz. Es gibt direkt vor der Haustür keinen Bundesligaverein oder kein Jugend-Internat, wo der Weg geebnet wird, wo man hinmuss, um dann den Weg zum Profi einzuschlagen. Ich glaube, die Faszination am Handball ging eigentlich in den Jugendtagen einfach damit los, dass ich viel Spaß hatte, in der Halle zu sein und mit dem Ball zu spielen. Ich habe ich von Anfang an gute Trainer gehabt, die uns Kinder begeistert haben“, blickt Golla auf seine Jugendzeit zurück.
Nach drei Jahren in Dotzheim ging es zu einem weitaus größeren Namen im deutschen Handball, dem früheren deutschen Meister SG Wallau. Noch wichtiger für seinen weiteren Weg war aber die Talentförderung an der Wiesbadener Elly-Heuss-Schule – sein Trainer war einer der Europameister von 2004: Jan-Olaf Immel. Als Elfjähriger kam Golla unter Immels Fittiche, damals noch als Rückraumspieler. Körperlich war er schon den meisten Mitspielern überlegen. Dennoch wurde er in der B-Jugend aus der Hessenauswahl aussortiert.
„Wir haben immer gesehen: Johannes hat Talent. Er war immer fokussiert, konzentriert und hat auch immer das umgesetzt, was der Trainer wollte. Und das ist glaube ich sein Riesen-Plus, dass er einfach willig ist, das zu machen, was der Trainer will“, sagt Immel heute. Sein Talent, aber auch sein Wille zur Weiterentwicklung führten Golla schließlich zu Eintracht Wiesbaden in die A-Jugend-Bundesliga. „Jede Station hat dafür gesorgt, dass ich besser und besser wurde und hat natürlich auch dafür gesorgt, dass ich im Sport sozialisiert werde“, sagt Golla.

Den wohl wichtigsten Kick für seine Karriere hatte er seinem Vater zu verdanken, der kannte Michael „Schorle“ Roth, seinerzeit Trainer bei der MT Melsungen: „Schorle und mein Vater kamen ins Gespräch. Ich glaube am Anfang war das eher so: ‚Okay, dann habe ich mal wieder jemanden, der schon einen Tipp gegeben hat, wen er mal einladen könnte.‘ Aber er hat es gemacht und dann habe ich mich nicht so doof angestellt beim ersten Training. Ich durfte wiederkommen.“ Im Jahr 2015 wechselte Golla ins 220 Kilometer entfernte Melsungen, machte in Kassel sein Abitur, Roth machte aus dem Rückraumspieler einen Kreisläufer – und der wurde in kürzester Zeit Juniorennationalspieler. Zunächst spielte Golla bei den MT-Talents, 2016 feierte er sein Bundesligadebüt.
„Ohne die MT Melsungen und die Chance damals wäre ich sicherlich nicht Handball-Profi geworden. Ich habe die Tage mal mit Nachbarn bei uns hier in Flensburg gesprochen, was ich gemacht hätte, wenn ich nicht Handballer geworden wäre. Wahrscheinlich ein normales Studium. Ich hatte damals das Ziel, zur Polizei zu gehen. Also ich glaube, wenn die Möglichkeit nicht aufgegangen wäre, dann wäre ich vielleicht Spieler in der Oberliga oder in der 3. Liga in Wiesbaden oder in der Region geworden. Aber durch die Chance in Melsungen habe ich diesen Weg einschlagen können“, blickt Golla zurück: „Es gab auch Momente, wo ich gedacht habe: schaffe ich das? Wir waren zu dritt auf der Kreisläufer-Position. Ich kam frisch dazu, hatte nicht die Einsätze, wie man sich das vielleicht manchmal wünscht. Dann muss man realistisch bleiben, auch ein Aspekt, den man immer beachten muss.“
Schon nach seiner ersten Saison in Melsungen hatte Maik Machulla, Trainer der SG Flensburg-Handewitt, Golla im Visier. Im Jahr 2018 wechselte der Kreisläufer zu ihm in den hohen Norden. Mit gerade einmal 20 Jahren sollte das Kraftpaket zum Nachfolger von SG-Legende Tobias Karlsson aufgebaut werden. Golla biss sich durch, gab im März 2029 außerdem sein Debüt im Nationaltrikot, wenige Monate später wird er mit der SG Flensburg-Handewitt Deutscher Meister - und schnell zum Liebling der SG-Fans. „Die SG ist ein Verein, der mit so viel Emotionen gelebt wird. So etwas gibt es selten. Ich habe das von Anfang an gespürt.”
Golla wird schon in jungen Jahren zum Vorbild, ist auf dem Feld knallhart, im Training nimmt er Extraschichten, um seinen Körper fit zu halten, damit dieser die hohe Belastung stemmen kann. Draußen ist er Schwiegermutter-Liebling, freundlich, wortgewandt, intelligent. Und zudem zeigt sich schon früh, dass er ein echter Führungsspieler ist, Kollegen nannten ihn wegen seiner vermittelnden Art sogar „Außenminister“.

Die EM 2020 ist sein erstes großes Turnier. Bei der EHF EURO zwei Jahre später ist Golla bester deutscher Werfer, wird als einziger Deutscher ins All-Star-Team gewählt – als bester Abwehrspieler. Danach wählen ihn die deutschen Fans erstmals zum Handballer des Jahres. Im DHB-Trikot zu spielen ist für Golla auch heute immer noch etwas Besonderes: „Nationalspieler zu werden, das kann man schon die Erfüllung eines Traumes nennen. Profi zu werden ist die eine Sache, aber dann auch auf dem Niveau zu spielen, dass man für die Nationalmannschaft in Frage kommt, das ist das Größte, was man erreichen kann im Sport. Und man spürt, wenn man zur Nationalmannschaft fährt, dass alle da wirklich hinkommen, um das Bestmögliche für die Mannschaft, für Deutschland zu erreichen.“
Bei der diesjährigen Heim-EM führt Johannes Golla die deutsche Mannschaft ins Halbfinale, das Team wird Vierter verpasst eine Medaille. Bereits wenige Monate später schimmert olympisches Silber auf seiner breiten Brust, drei Monate, nachdem er mit der SG Flensburg-Handewitt mit dem Sieg in der European League seinen zweiten großen Titel gewonnen hatte. „Ich glaube, wenn man am Ende auf eine Karriere guckt, dann muss das am Erfolg gemessen werden. Man kann gut spielen, aber erfolgreich spielt man eigentlich nur, wenn man auch am Ende was mitnimmt“, sagt Golla.
Hinten als Abwehrchef im Mittelblock, vorne als Kreisläufer – Golla steht auf beiden Enden des Spielfeldes seinen Mann, geht stets voran, ist Arbeitstier und Motivator, geht dahin, wo es wehtut. „Golla ist für uns nicht zu ersetzen“, sagt Bundestrainer Alfred Gislason. Der Isländer hatte seinen Mann für alle Fälle 2021 zum Kapitän gemacht. Trotz seines Alters von damals 23 Jahren ist er sofort auch in der Nationalmannschaft akzeptiert, hat ein Gespür für den Kitt, den es braucht, um ein Team zusammenzuhalten. Und ist gleich bei der “Corona-EM” 2022 in Bratislava gefordert, wie kaum ein Kapitän zuvor – beim täglichen Wechselspiel mit fast 20 Coronafällen in der Mannschaft.
Seit 2023, nach dem Abschied von Lasse Svan, ist Golla auch Kapitän in Flensburg – beide Ämter erfüllen ihn mit großem Stolz: „Diese Aufgaben sind eine Ehre. Das ändert aber grundsätzlich nichts an der Einstellung, die ich auch vorher schon hatte. Dass man alles, was in der eigenen Hand liegt, in der eigenen Macht steht, auch investiert, dass es zum maximalen Erfolg kommen kann. Das heißt, dass es der Mannschaft gut geht, den Spielern gut geht, dass man Verantwortung übernimmt - nicht nur fürs Sportliche, sondern auch für das Drumherum.“
Also alles richtig gemacht seit den ersten Handballtagen bei der JSG Eltville? „Ich war damals bereit den Schritt zu gehen. Und ich würde es wahrscheinlich auch wieder so machen. Ich werde alles dafür tun, noch so viel in den Händen zu halten wie möglich. Der Traum ist da und das ist ja auch zum Teil das, was einen jeden Tag antreibt, weil man weiß, wie gut sich das anfühlt, wenn man das erreicht.“
Alle bisherigen Folgen der HBL-Doku sind hier zu sehen.
Fotos: Heilwagen, SG Flensburg-Handewitt, TVB Stuttgart, Wolf