Magische Nächte und historischer Erfolg: Fünf HBL-Teams in den europäischen Finalturnieren

Das gab es noch nie in der Geschichte des Europapokals und seit der Einführung der Finalturniere in Champions League (2010) und European League (2013): Fünf deutsche Mannschaften haben sich für die Halbfinals in Hamburg (European League 25./26. Mai) und Köln (Champions League 8./9. Juni) qualifiziert – von ursprünglich sechs gestarteten Teams aus der LIQUI MOLY HBL war nur eines vor den Finalturnieren ausgeschieden: die Recken in den Play-offs der European League. Die stärkste Liga der Welt hat ihrem Ruf bereits jetzt wieder alle Ehre gemacht.
Und wenn die Aufgaben in den Rückspielen noch so groß waren, alle HBL-Vertreter haben sich in den Viertelfinals durchgesetzt. Die magischten Nächte gab es in der Champions League in Magdeburg und in Kiel. Zunächst setzte sich der SCM gegen Kielce im Siebenmeterwerfen durch, dann schaffte der THW die Sensation und drehte ein 30:39 aus dem Hinspiel in Montpellier in einen 31:21-Erfolg. Erstmals seit 2014 haben sich wieder zwei HBL-Klubs für das FINAL4 der Königsklasse qualifiziert. Seinerzeit gab es sogar das letzte rein deutsche Finale – Flensburg setzte sich gegen den THW durch. Insgesamt haben vier verschiedene deutsche Teams in Köln die Königsklasse gewonnen: Kiel (2010, 2012, 2020), Hamburg (2013), Flensburg (2014) und Magdeburg (2023).
Zehn Jahre später könnte sich Geschichte wiederholen, wenn THW und SCM nicht schon im Halbfinale aufeinandertreffen. Die Auslosung ist am Dienstag, 7. Mai, in Budapest, zusammen mit den Halbfinals der Frauen-Champions-League. Die weiteren Halbfinalisten sind Aalborg Handbold aus Dänemark (Sieger gegen Veszprem) und der FC Barcelona (Sieger gegen PSG).
Wer sonst, als der seit dem REWE Final4 überragende Torwart Sergey Hernandez bescherte dem SCM das Ticket zum Finalturnier am 8./9. Juni in der LANXESS arena. 15 Würfe wehrte der Spanier in der regulären Spielzeit gegen Kielce ab, dann folgten drei Paraden im Siebenmeterwerfen, unter anderem beim entscheidenden Wurf von Dylan Nahi. Omar Ingi Magnusson machte den Traum von Köln mit dem 4:3 im Siebenmeterwerfen perfekt.
Nach der 26:27-Niederlage im Hinspiel in Kielce, hieß es nach 60 Minuten 23:22 in Magdeburg – weil vor drei Jahren die Auswärtstorregel abgeschafft wurde, gab es sofort ein Siebenmeterwerfen. Und da wuchs Hernandez wieder über sich hinaus. „Wenn du denkst, du hast im Handball schon alles erlebt, dann kommt ein solch unglaubliches Spiel. Der Schlüssel zum Erfolg war, dass wir immer an uns geglaubt haben“, sagte Trainer Bennet Wiegert, dessen Team nach Super-Cup-Triumph, Vereins-WM-Titel und DHB-Pokalsieg und als aktueller Tabellenführer der LIQUI MOLY HBL nun die „Fünf-Trophäen-Saison“ anpeilt.
Auch beim THW-Wunder gegen Montpellier stand ein Torwart im Fokus: Tomas Mrkvas Paraden in der Schlussphase (insgesamt wehrte der Tscheche zwölf Würfe ab) waren mitentscheidend, dass der THW zum neunten Mal seit 2010 in der LANXESS arena um den Champions-League-Pokal spielt – und nach dem frühen Aus im Pokal und dem Meisterrennen in der Liga noch um einen Titel spielt. Bis zur Pause hatten die Kieler gegen Montpellier bereits fünf Tore aufgeholt (17:12), dann war zwar etwas Sand im Getriebe, aber in den letzten 15 Minuten drehten die Zebras mächtig auf: Mit einem 7:1-Lauf nach dem 24:20 wurde der Traum Wirklichkeit.
Eric Johansson (8), Harald Reinkind (7) und Nikola Bilyk (6) erzielten zusammen 21 von Kiels 31 Treffern. „Das Märchen nahm sein gutes Ende. Wir hatten eine Saison mit so vielen Höhen und Tiefen, nun haben wir unser großes Ziel Köln geschafft, unglaublich“, sagte Rechtsaußen Niclas Ekberg, für den das Wunder von Kiel sein letztes internationales Spiel in der Wunderino-Arena war. Im Sommer zieht es ihn in seine schwedische Heimat zurück.
Die dritte magische Nacht gab es in Nantes – dort, wo seit über einem Jahr keine Gastmannschaft mehr gepunktet hatte. Am Dienstag jubelten dort die Füchse Berlin: nach dem schmeichelhaften 33:33 im Viertelfinal-Hinspiel der European League zuhause gegen HBC Nantes brannte das Team von Jaron Siewert ein wahres Feuerwerk ab. Bereits zum achten Mal nach 2014, 2015, 2017, 2018, 2019, 2021 und 2023 qualifizierten sich die Füchse durch das souveräne 37:30 in der Höhle der Löwen für ein EL-Finalturnier, hatten 2015 und 2018 den EHF-Pokal gewonnen und im Vorjahr die European League. Überragend war der achtfache Torschütze Max Darj, aber für Siewert war „die Defensive entscheidend. Wenn du gegen eine Tormaschine wie Nantes in 45 Minuten nur 22 Treffer kassierst, ist das überragend.“
Zum dritten Mal nach dem EHF-Pokalsieg 2013 (just in Nantes) und dem dritten Platz 2021 beim Finalturnier in der heimischen SAP-Arena haben sich auch die Rhein-Neckar Löwen für das Finalturnier qualifiziert. Nach dem 32:29-Hinspielsieg konnten sich die Löwen eine 28:29-Niederlage bei Sporting Lissabon leisten. Zwischendurch war das Vier-Tore-Polster allerdings mehrfach aufgebraucht gewesen, wie beim 23:27. Wie im Hinspiel war Torwart David Späth der Matchwinner, in Lissabon wehrte er 15 Würfe ab. „Es war nicht unser bestes Spiel, und deswegen sind wir überglücklich, dass wir in Hamburg dabei sind“, sagte Löwen-Trainer Sebastian Hinze.
Dritter deutscher Vertreter in der Barclays Arena ist die SG Flensburg.-Handewitt, die gegen Recken-Bezwinger IK Sävehof aus Schweden die Entscheidung bereits mit dem 41:30-Hinspielsieg in Göteborg erreicht hatte. Im Rückspiel gab es für den Tabellendritten der HBL zwar die erste Heimniederlage der laufenden European-League-Saison mit einem 28:29 – aber im Gegensatz zum Vorjahr, als man als Gastgeber des Finalturniers im Viertelfinale gegen Granollers aus Spanien zuhause ausschied, tat diese nicht weh. Viertes Team in Hamburg ist der rumänische Meister Dinamo Bukarest, der sich zweimal gegen Skjern aus Dänemark durchsetzte.
Zum vierten Mal nach 2017, 2018 (jeweils Göppingen, Füchse und Magdeburg) sowie 2021 (Magdeburg, Füchse, Rhein-Neckar Löwen) haben sich somit drei deutsche Teams für das Finalturnier qualifiziert. Viermal seit 2013 gab es zwei deutsche Vertreter, dreimal je einen. Seit 2004 – also seit 20 Jahren - gab es im zweiten Europapokalwettbewerb unterhalb der Champions League (erst EHF-Pokal, jetzt European League) nur zwei Sieger, die nicht aus der LIQUI MOLY HBL kamen: 2014 Pick Szeged aus Ungarn und 2022 Benfica Lissabon aus Portugal. Ansonsten gab es nur deutsche Sieger - und rein mathematisch stehen in Hamburg die Chancen bei 75 Prozent, dass sich diese Serie fortsetzt. Rekordsieger im EHF-Pokal/European League sind mit je vier Titeln Kiel, Göppingen und Magdeburg. Berlin könnte aufschließen, Flensburg könnte hingegen eine Trophäe im fünften verschiedenen Europapokalwettbewerb gewinnen nach Champions League, EHF-Pokal, Europapokal der Pokalsieger und City Cup.
Foto: Klahn