Das lange Warten hat ein Ende: Flensburg feiert Titel in der European League
Kapitän Johannes Golla schrie seine Freude heraus und war emotional wie selten. Die mehreren tausend SG-Fans feierten ihre Mannschaft mit einem „Humba-Humba-Täterä“. Nach zehnjähriger Abwesenheit auf dem Siegerpodest feierte die SG Flensburg-Handewitt am Sonntag ihren insgesamt sechsten Europapokaltitel, und dies absolut verdient.
Vor 10.050 Fans in der Barclays Arena in Hamburg setzte sich die SG im HBL-internen Finale der European League deutlich mit 36:31 (15:14) gegen Titelverteidiger Füchse Berlin durch, nachdem die Flensburger im Halbfinale beim 38:32 kurzen Prozess mit Dinamo Bukarest gemacht hatten. Auch der dritte Platz bei den EHF Finals ging an die LIQUI MOLY HBL: Die Rhein-Neckar Löwen, die im Halbfinale gegen die Füchse chancenlos waren (24:33), setzten sich im Spiel um Platz drei hauchdünn und dank eines überragenden Torwarts David Späth mit 32:31 gegen Bukarest durch.
„Wir hatten so lange auf diesen Tag warten müssen, wir waren so oft gescheitert, jetzt endlich haben wir diesen Titel“, sagte Flensburgs Kapitän Golla, der im Finale gemeinsam mit Lukas Jörgensen eine überragende Abwehrarbeit gegen Berlins Shooter Mathias Gidsel und Lasse Andersson gezeigt hatte. Berlin startet furios mit einer 4:1-Führung, aber von Minute zu Minute wurde die SG stärker, drehte die Partie beim 8:7. Nach den roten Karten gegen Mijajlo Marsenic (Berlin) und Jim Gofttfridsson (Flensburg) zu Beginn der zweiten Hälfte war die Partie bis zum 23:23 offen. Aber in der Schlussphase hatten die Berliner dem Angriffswirbel der Flensburger nichts mehr entgegenzusetzen.
Torwart Kevin Möller sowie die bärenstarken Außen Emil Jakobsen und Johan Hansen waren ebenfalls die Matchwinner der SG, die mit dem Triumph von Hamburg Geschichte schrieben: Nach dem City-Cup, dem EHF-Pokal, dem Europapokal der Pokalsieger und als Krönung 2014 dem Champions-League-Sieg ist Flensburg der einzige Verein, der nun fünf verschiedene Europapokalwettbewerbe gewonnen hat. Auch der MVP-Award ging an die SG: Emil Jakobsen, der im Halbfinale gegen die Löwen elfmal getroffen hatte und im Finale sieben Tore erzielte, wurde als bester Turnierspieler ausgezeichnet. „Das ist natürlich nett, aber nicht vergleichbar mit diesem Pokal und diesen Goldmedaillen, auf die wir solange warten mussten“, sagte der Däne, der auch in der HBL bester Flensburger Werfer ist.
„Der Sieg der SG war absolut verdient, sie waren die bessere Mannschaft, uns ging am Ende die Kraft aus“, resümierte Füchse-Kapitän Paul Drux die Final-Niederlage. Wie schon beim REWE Final4 im April, als beide Teams im Spiel um Platz 3 aufeinandertrafen, hatte die SG diese Nase vorn. „Was die Jungs gerade in der Abwehr geleistet haben, war sensationell“, sagte SG-Trainer Nicolej Krickau: „Der erste Titel, den du mit einer neuen Mannschaft gewinnst, ist immer der schwerste, jetzt haben wir Lust auf mehr.“
Die Löwen hatten sich mehr ausgerechnet, kassierten aber wie 2021 eine Halbfinal-Niederlage gegen die Füchse. „Zumindest haben wir die internationale Saison harmonisch mit einem Sieg beendet“, sagte Kapitän Patrick Groetzki. „In der European League haben wir 14 von 18 Spielen gewonnen, das ist eine deutlich bessere Bilanz als in der Bundesliga.“
Zum fünften Mal seit der Einführung des Finalturniers im Jahre 2013 standen sich zwei deutsche Mannschaften im Endspiel gegenüber, zum fünften Mal waren die Füchse Berlin dabei am Start, und zum vierten Mal in Folge nach 2017 (gegen Göppingen), 2019 (gegen Kiel) und 2021 (gegen Magdeburg) verloren die Füchse, die lediglich 2015 (gegen Hamburg) siegreich waren. Die SG war überhaupt zum ersten Mal bei den EHF Finals dabei, für Berlin war es das insgesamt achte Finale. Somit wurde auch die unendliche Siegesserie von HBL-Klubs im zweitwichtigsten Europapokalwettbewerb verlängert: zum 19. Mal in den vergangenen 21 Jahren gewann ein deutscher Verein die Trophäe – und damit führt Deutschland auch weiterhin mit riesigem Abstand das Nationenranking der European League an. Und das bedeutet auch weiterhin einen zweiten Champions-League-Startplatz in der Champions League. Und weil der frisch gebackene European-League-Sieger aus Flensburg sich bereits für die kommende Europapokalsaison als aktueller Ligadritter qualifiziert hat, ist die Chance sehr hoch, dass die LIQUI MOLY HBL erneut einen vierten Startplatz in der European League erhält.
Nach den beiden abschließenden HBL-Spieltagen am Mittwoch/Donnerstag und Sonntag hat die LIQUI MOLY HBL zwei weitere Eisen im Feuer, wenn es am 8./9. Juni in der Kölner LANXESS arena um die Krone in der Champions League geht: Der THW Kiel trifft im Halbfinale auf den FC Barcelona, der SC Magdeburg auf die Dänen von Aalborg Handball. Auch dort ist also ein rein deutsches Finale möglich – es wäre das erste seit 2014, als eben jene SG Flensburg-Handewitt den Nachbarn aus Kiel bezwang.
Foto: Anderson-Jensen